Franzobel – Das Floss der Medusa

Historisches Katastrophendrama

Das Buch hat mich schon bei der Hardcover-Veröffentlichung 2017 interessiert. Es war auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, was schon allein eine Auszeichnung ist. „Das Floss der Medusa“ von Franzobel ist nicht nur inhaltlich ein spannendes Werk, es ist vor allem sprachlich unbedingt empfehlenswert. Allein schon die Wortabfrage, welche Bedeutung, welcher Begriff hat, ist charmant, ähnlich wie der Abreißkalender im Film „Alfie“ mit Jude Law, nur anspruchsvoller. Inhaltlich ist das hier harter Tobak, eine Geschichte ohne echtes Happy End mit vielen Toten und von der zu erzählenden Katastrophe Gezeichneten. Ein französisches Schiff macht sich auf den Weg in den Senegal im Jahr 1816. Nach politischen Wirren treffen hier sehr unterschiedliche Charaktere aufeinander und ecken an. Was erleben die Protagonisten an Bord, was als ihr Schiff auf eine Sandbank aufläuft und auseinanderzubrechen droht? Ist das Leben aller in Gefahr, was muss passieren, um die Menschen zu retten, wer hat welche Kompetenz? Die dramatische Geschichte von Pech und Versagen…

Inhalt 

Das Floss der Medusa von Franzobel
  1. Juli 1816: Vor der Westküste von Afrika entdeckt der Kapitän der Argus ein etwa zwanzig Meter langes Floß. Was er darauf sieht, lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren: hohle Augen, ausgedörrte Lippen, Haare, starr vor Salz, verbrannte Haut voller Wunden und Blasen … Die ausgemergelten, nackten Gestalten sind die letzten 15 von ursprünglich 147 Menschen, die nach dem Untergang der Fregatte Medusa zwei Wochen auf offener See überlebt haben. Da es in den Rettungsbooten zu wenige Plätze gab, wurden sie einfach ausgesetzt. Diese historisch belegte Geschichte bildet die Folie für Franzobels epochalen Roman, der in den Kern des Menschlichen zielt. Wie hoch ist der Preis des Überlebens? Was ist passiert an Bord, warum ist die Medusa auf eine Sandbank aufgelaufen, warum mussten die Passagiere und die Besatzung in den zu wenigen Beibooten auf ihre Rettung hoffen? Ein Roman über das tragische Schicksal der Menschen und menschliche Fehler und Eitelkeiten, aber auch über die Hierarchien und bestimmenden Kräfte, die zur Katastrophe führten. Tragische Helden, die um Menschlichkeit und Überleben kämpfen mussten, wider die Natur und den menschlichen Verstand.

Kritik

Rein sprachlich ist das große Kunst. Ein Roman, der erfrischend jung wirkt, der mit den LeserInnen kommuniziert, sie einbezieht, zumindest zeitweise. Das ist gerade zu Beginn auflockernd, wobei die Geschichte nicht die spannendste ist, ist doch der Ausgang vorgezeichnet. Nur wie hat es dazu kommen können, was ist den Menschen passiert, haben sie überleben können, was war auf dem Floss los? Was passiert in Notsituationen mit der Menschlichkeit, was wäre die Alternative gewesen? Hat die Zivilisation tatsächlich etwas gebracht, oder agieren die Menschen in Notsituationen doch wieder instinktiv, wie vor tausenden von Jahren? Klare Leseempfehlung!

Franzobel, geboren 1967 in Vöcklabruck, ist einer der populärsten und polarisierendsten österreichischen Schriftsteller. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Mit seinem Roman „Das Floß der Medusa“ stand er auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, und er erhielt den Bayerischen Buchpreis. Als Hardcover wurde es 2017 veröffentlicht, jetzt folgt das Taschenbuch. „Das Floss der Medusa“ hat 591 Seiten und ist im btb Verlag am 14. Januar erschienen.

Bewertung: 8,5/10 Punkten

Spannung: 3/4 – Action: 2/4 – Humor: 2/4 – Erotik: 1/4 – Anspruch: 3/4