Ulrike Draesner – Schwitters

Literatur / fiktives Biopic

Nach einer gewissen Einlesezeit, sind die Leser bei „Schwitters“ in den Bann der Sprachkunst und Sprachlust Ulrike Draesners gezogen. Da erstreckt sich schon mal ein Satz über eine halbe Buchseite, ohne dass der Leser die Übersicht verliert. Entsprechend des Themas „Schwitters“ versucht sie sich hier und da im Dadaismus.  Brillant auch wie die Autorin in die Rolle jedes Protagonisten zu schlüpfen  versteht; dessen Emotionen empathisch dem Leser nahebringt; es handelt sich um einen Roman, keine Biographie. Von daher steht es der Autorin frei, sich nicht nur an Fakten zu halten. Sie schildert schillernd den Künstler, dem eine liebevolle, fürsorgliche Frau zur Seite steht und ihm den Rücken freihält. Sie steht voll zu seiner Kunst und seinen Eskapaden und verzichtet großzügig auf ein Leben mit ihm. Daneben gibt es die Geliebte, die mit seinen Launen manchmal an ihre Grenzen stößt, nie nach seiner Vergangenheit fragt, ihn fördert, fordert und stützt auch wenn  er im Alter  häufig mit seiner eigenen Zwiespältigkeit ringt.

Inhalt

Wie fängt man eine Zukunft an, die eigentlich schon aufgehört hat? Mit einem Streifen Meer zwischen sich und seiner Heimat, seiner Sprache, sich selbst? Kurt Schwitters ist 49, als ihn die Nationalsozialisten zur Flucht aus Hannover zwingen. Sein Erfolg, Werk, Besitz, die Eltern und seine Frau Helma bleiben zurück. Die Kunst weicht der Kunst des Überlebens. In Norwegen, London und endlich dem Lake District beginnt Schwitters‘ zweites Leben in fremder Sprache. Wantee, die neue Frau an seiner Seite, hält ihn auf Kurs und seinen Kopf über Wasser, selbst als der Wortkünstler verstummt. Im Merzbau hat Schwitters einen anderen Weg gefunden, um Himmel und Heiterkeit, das Funkeln der Wiesen und die Durchsichtigkeit der Luft einzufangen. Mit irrwitziger Disziplin, bis zur Erschöpfung. Wer ihn dabei beobachtet, begreift: Kunst bildet die Welt nicht nach. Sie übersetzt sie in Formen, die uns berühren. Ein Roman über das Leben von Kurt Schwitters, in Hannover und der Welt. Ein faszinierender Einblick, keine leichte Kost.

Kritik

Ein äußerst lesenswertes Buch, das auch das Zeitgeschehen der Kriegswirren des 2. Weltkrieges durch die handelnden Personen widerspiegelt. Viele Anekdoten werden angerissen und einige Kapitel später beendet, was die Leserschaft bindet. Ein sehr gutes Werk, anspruchsvoll und mitreißend. Kurt Schwitters ist in Hannover beerdigt, liegt auf dem Friedhof Engesohde. Der Dadaismus hallt bis heute nach.

Ulrike Draesner wurde 1962 in München geboren. Sie studierte Rechtswissenschaft, Anglistik, Germanistik und Philosophie in München und Oxford. 1992 promovierte sie in Germanistischer Mediävistik und war von 1989 bis 1993 wissenschaftliche Assistentin an der LMU München. Seit 1994 lebt Ulrike Draesner, nach längeren Aufenthalten in England, als freie Autorin in Berlin. Neben ihren Lyrikbänden und Prosawerken hat sie auch Übersetzungen aus dem Englischen verfasst und an verschiedenen intermedialen Projekten mitgewirkt. „Schwitters“ hat 480 Seiten und ist am 24. August im Penguin Verlag erschienen.

Bewertung: 8,6/10 Punkten

Spannung: 3/4 – Action: 2/4 – Humor: 2/4 – Erotik: 1/4 – Anspruch: 4/4