Philosophie / Politik / Medien
Richard David Precht ist eine Institution im deutschen Fernsehen. Ein Mann der Ahnung von Philosophie hat, der die Gesellschaft und die Politik richtig einordnen kann. Nun hat er sich mit Harald Welzer zusammengetan, der ihm quasi in Sachen Philosophie und Ethik ebenbürtig ist. Zwei Intellektuelle, die nun ein Buch veröffentlicht haben, das aktueller kaum sein könnte. „Die vierte Gewalt“ beleuchtet das Verhältnis von Journalisten zur Politik und zu den Rezipienten, zum Volk, das Zeitungen liest, das sich im Internet informiert oder durch das Radio Neuigkeiten und Meinungen erfährt. Journalisten haben eine wichtige Aufgabe in einer Demokratie, sie sollen differenziert erklären, vermitteln und kritisieren. Machen sie das, gibt es eine heterogene Berufsgruppe, die uns Politik und alles weitere vermittelt? Können sie das zunächst wertfrei schaffen und nur in Glossen oder Kommentaren ihre Meinung kundtun?
Inhalt

Was Massenmedien berichten, weicht oft von den Ansichten und Eindrücken großer Teile der Bevölkerung ab – gerade, wenn es um brisante Geschehnisse geht. So entsteht häufig der Eindruck, die Massenmedien in Deutschland seien von der Regierung oder »dem Staat« manipuliert. Aber die heutige Selbstangleichung der Medien hat mit einer gelenkten Manipulation nichts zu tun. Die Massenmedien in Deutschland sind keine Vollzugsorgane staatlicher Meinungsmache. Sie sind die Vollzugsorgane ihrer eigenen Meinungsmache: mit immer stärkerem Hang zum Einseitigen, Simplifizierenden, Moralisierenden, Empörenden und Diffamierenden. Und sie bilden die ganz eigenen Echokammern einer Szene ab, die stets darauf blickt, was der jeweils andere gerade sagt oder schreibt, ängstlich darauf bedacht, bloß davon nicht abzuweichen. Diese Angst ist der bestmögliche Dünger für den Zerfall der Gesellschaft. Denn Maßlosigkeit und Einseitigkeit des Urteils zerstört den wohlmeinenden Streit, das demokratische Ringen um gute Lösungen.
In ihrem ersten gemeinsamen Hörbuch analysieren die Bestseller-Autoren Richard David Precht und Harald Welzer die Mechanismen, die in diese Sackgasse führen: Wie kann eine liberale Demokratie mit pluraler Medienlandschaft sich selbst so gefährden? Wie ist es in Deutschland, dem Land einer lange vorbildlichen Qualitätspresse und eines im internationalen Vergleich ebenso vorbildlichen öffentlich-rechtlichen Rundfunks dazu gekommen? Wie konnte und kann die Medienlandschaft durch die »vierte Gewalt« selbst unfreier werden? Und was bildet das veröffentlichte Meinungsbild ab, wenn es mit dem öffentlichen so wenig übereinstimmt? Wir müssen verstehen, wie unsere Demokratie nicht durch Willkür und Macht »von oben«, sondern aus der Sphäre der Öffentlichkeit selbst unterspült wird – erst dann kann die »vierte Gewalt« ihrer Rolle wieder gerecht werden.
Kritik
Man hört den beiden Autoren gerne zu, interpretiert und analysiert ihre Beiträge und versucht den großen Rahmen, den sie zu vermitteln versuchen zu erkennen. Das klappt ganz gut, die Analyse ist treffend, aber hätte noch weiter gehen können. Die Autoren greifen die „Medien“ kaum an, höchstens mal nett Robin Alexander, ein Stammgast bei Lanz, wie die beiden Autoren auch, die in dieser Woche kontrovers ihr Werk eben dort vorstellen durften. Die Medienvielfalt dürfte tatsächlich größer werden, die Erhebungen und Stimmungsbarometer sind zum Teil erschreckend. Aber rational ist zu erklären, das gelingt den Intellektuellen recht gut. Das Hörbuch „Die vierte Gewalt“ von Richard David Precht und Harald Welzer ist am 28. September 2022 im Hörverlag erschienen, mit einer Gesamtlänge von 425 Minuten. Das Buch ist zeitgleich im S. Fischer Verlag erschienen, mit einer Länge von 288 Seiten.
Autoren: Richard David Precht, Philosoph, Publizist und Autor, wurde 1964 in Solingen geboren. Er promovierte 1994 an der Universität Köln und war fünf Jahre Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem kognitionspsychologischen Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Schulpädagogik. Im Jahr 2000 wurde er mit dem Publizistikpreis für Biomedizin ausgezeichnet. Mit seinem Philosophiebuch „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“, das viele Jahre auf der Sachbuch-Bestsellerliste stand, begeisterte er Leser wie Kritiker. Auch seine Bücher „Liebe. Ein unordentliches Gefühl“, „Die Kunst, kein Egoist zu sein“ und „Warum gibt es alles und nicht nichts?“ waren große Bestsellererfolge. Als Honorarprofessor lehrt er Philosophie an der Leuphana Universität Lüneburg und an der Musikhochschule Hanns Eisler Berlin. Seit September 2012 moderiert er die ZDF-Philosophiesendung „Precht“.
Harald Welzer ist einer der streitbarsten Intellektuellen in Deutschland. Mit Witz und scharfsinnigen Argumenten engagiert er sich für eine bessere und offene Gesellschaft, für Nachhaltigkeit und Demokratie. Er ist Direktor von FUTURZWEI. Stiftung Zukunftsfähigkeit und Professor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg. Daneben lehrt er an der Universität St. Gallen und an der ETH Zürich. In den Fischer Verlagen sind von ihm u.a. erschienen: »Selbst denken« (2013), »Die smarte Diktatur. Ein Angriff auf unsere Freiheit« (2016), »Alles könnte anders sein. Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen« (2019) und »Nachruf auf mich selbst.« (2021). Seine Bücher sind in 21 Ländern erschienen.
Gelesen von: Harald Welzer und Richard David Precht
Bewertung: 8,3/10 Punkten
Spannung: 2/4 – Action: 2/4 – Humor: 1/4 – Erotik: -/4 – Anspruch: 4/4