Benjamin Moser – Sontag

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Biographie

Die hohe Kunst der Sprache! Hier findet man sie wieder. Benjamin Mosers Biografie „Sontag“ ist nicht zu Unrecht mit dem Pulitzerpreis 2020 ausgezeichnet worden. Großes Lob und Dank auch an den Übersetzer, der ebenfalls mit Sprache umzugehen verstehen muss. Daraus ist ein Werk entstanden, das nicht nur über die Person Susan Sontag mit den vielen Facetten ihres Ichs, ihrer überdurchschnittlichen Intelligenz (furchterregende Bildung), ebenso wie jüdisches Leben und Leben in USA berichtet. Empfehlenswert ist, ein Fremdwörterbuch in der Nähe zu haben. Bereits im Jugendalter trifft sie in Südkalifornien auf Exileuropäer wie Thomas Mann, Fritz Lang, Arnold Schönberg, Billy Wilder, Bertold Brecht. Für ihren Intellekt ist es schwer, ein Gegenüber zu finden, das sie in Teilen bei Freud, Levi Strauß, Adorno oder Marcuse fand. Moser beschreibt sie als Tochter jüdischer Vorfahren, der keine Kindheit vergönnt war. Die Mutter sah ihren Auftrag mit der Geburt als erfüllt an, was Susan zur Außenseiterin machte, die sich nach innen zum Schreiben und Lesen zurückzog. Sie vergötterte ihre Mutter, es gelang ihr aber nicht deren Zuneigung zu gewinnen.

Inhalt

Susan Sontags glamouröse Erscheinung ist so legendär wie ihr schneidender Verstand. Das Themenspektrum, das sie in ihrem beeindruckenden literarischen Werk bearbeitete, reicht von postabstrakter Malerei über Pornografie und Existenzialismus bis hin zu Krebs und Kriegsfotografie. Für seine monumentale Biografie dieser Literaturikone des 20. Jahrhunderts konnte Benjamin Moser zahlreiche private Aufzeichnungen auswerten und erstmals Lebensgefährten wie Annie Leibovitz befragen. Sein tiefgründiges, intimes Porträt vermisst das Leben und den geistigen Kosmos dieser Intellektuellen, die wohl ebenso sehr bewundert wie gehasst wurde und für die ihre Freundin Jamaica Kincaid einmal die Worte fand: »Sie war großartig. Ich glaube, seit ich Susan kenne, möchte ich nicht mehr großartig sein.« Mit einem 32-seitigem Bildteil.

Kritik

Es gelang Susan Sontag nicht, Traum und Realität zusammenzubringen, ebenso wie Körper und Geist. Kultur galt für sie stets hoch angesiedelt, sie wäre dafür bereit, zu sterben. In ihrer vielfältigen Entwicklung ihres Selbst entdeckte sie die homosexuelle Parallelwelt und deren kulturelle Elite.

Der Autor lässt auch den Sohn David einen Blick auf die Mutter werfen, was Parallelen zur Kindheit Susans erkennen lässt. Moser hat immer das Ganze, die gesamte Person Susan Sontag, im Blick. Eine Lebensgeschichte einer zwiespältigen, interessanten Person; anspruchsvoll fesselnd auf gut 800 Seiten erzählt plus Anhang. Überaus empfehlenswert!

Benjamin Moser, geboren 1976 in Houston/Texas, lebt in den Niederlanden, wo er an der Universität Utrecht promovierte. Er verfasst regelmäßig Beiträge für Harper’s Magazine und The New York Review of Books und ist schon mit einer großen Biographie von Clarice Lispector (2013 bei Schöffling, 2015 bei btb) hervorgetreten. Für »Sontag« wurde Moser mit dem Pulitzer-Preis in der Kategorie Biografie ausgezeichnet. „Sontag“ („Sontag. Her Life and Work“) hat 928 Seiten, wurde von Hainer Kober aus dem Amerikanischen übersetzt und ist am 14. September im Penguin Verlag erschienen.

Bewertung: 8,5/10 Punkten

Spannung: 2/4 – Action: 2/4 – Humor: 2/4 – Erotik: 2/4 – Anspruch: 4/4